Kunstproduktion, Leben und Arbeiten an einem Ort – das Zentralwerk in Dresden
von Elisabeth Wulff-Werthner
aus Porös werden – geteilte Räume, urbane Dramaturgien, performatives Kuratieren
In diesem kurzen Beitrag möchte ich einen Einblick in das Zentralwerk in Dresden geben. Prozesse, die zur Gründung des Kulturzentrums geführt haben, werden beschrieben und das künstlerische Programm vorgestellt. Die enge Verknüpfung künstlerischer und kuratorischer Entscheidungen mit organisatorischen, baulichen oder institutionellen Prozessen, waren das grundlegende Arbeitsprinzip, das zum Zentralwerk, wie es heute besteht, geführt hat.
Der folgende Text beschreibt geschehene Ereignisse aus einer subjektiven Perspektive. Da ich in aktuelle Prozesse der Arbeits- und Lebensgemeinschaft nicht mehr integriert bin, sind Teile des Beitrags von meinem „Blick von außen“ gefärbt.
Etwas zu meiner Person: Ich bin seit 2008 Vereinsmitglied des Zentralwerk e. V. und war von 2011 – 2019 Mitglied des Vorstands. In dieser Zeit hatten Barbara Lubich und ich die künstlerische Leitung inne. Als Gründungsmitglied der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG habe ich von 2016 bis 2022 mit meiner Familie auf dem Fabrikgelände gearbeitet und gelebt. Mit dem Ende meiner Vorstandstätigkeit habe ich alle Aufgaben innerhalb des Projekts niedergelegt.
Bei Betrachtung der künstlerischen Projekte der letzten 14 Jahren in der durchwachsenen Vereinsgeschichte zeigen sich inhaltliche Linien, die sich stringent und permanent weiterentwickeln, sich gegenseitig beeinflussen, verschwimmen, sich voneinander ablösen um sich erneut ineinander zu verzahnen. Sechs Stränge, die getrost als die künstlerische DNA des Zentralwerks bezeichnet werden können.
Von der SICHTBETONUNG zum OFFENEN WERK
Mit dem Festival SICHTBETONUNG eigneten wir uns eine Arbeitsweise an, die verschiedene künstlerische Beiträge um einen thematischen Kern zu einem Gesamtkunstwerk verwebt. Die elfte SICHT/BETON/UNG „ENDE AUF“ markiert das vorläufige Pausieren des Formats. Seit 2018 gestalten alle Menschen im Zentralwerk einmal im Jahr ihren Tag der offenen Tür, das OFFENE WERK zur Päsentation ihrer Arbeit selbst. …
Verwandlung und Entwicklung KuPaPa – TRANSFORMANCE – DIE OASE. – DIE KARAWANE.
Wie wollen wir leben? Wo wollen wir hin? Wie wollen wir zusammenarbeiten? Wie können wir unsere Kräfte bündeln? Wie wollen wir uns strukturieren? Wie können wir uns öffnen?
Aus diesen Fragestellungen entstanden Einzelprojekte und Reihen. …..
Ohrenschmaus
Die Musik spielte im Programm des Zentralwerks schon immer eine große Rolle, egal ob herkömmliche Konzertformate oder experimentelle Herangehensweisen. … … Wichtig ist jedoch zu betonen, dass auch in diesem Strang die Heterogenität der im Zentralwerk aktiven Menschen zu einer großen Bandbreite an musikalischen Genres, Mischformen und experimentellen Ansätzen führt.
VORHIN – Erinnerungskultur
… so luden wir während des TAGS DES OFFENEN DENKMALS Besucher:innen dazu ein, uns auf ihren Selbstführungen mitzunehmen. Wir wollten ihre Geschichten hören, festhalten, diese zum Anlass von Gesprächen nehmen. …
2016 riefen wir die Veranstaltungsreihe VORHIN ins Leben. Wir initiierten interdisziplinäre Begegnungen zwischen Expert:innen und Wissenschaftler:innen, um offene Fragen aufzuwerfen und das Fallbeispiel Goehle-Werk in einen größeren Kontext setzen zu können. … Parallel dazu entstehen künstlerische Arbeiten, die sich der Frage nach dem Umgang mit Vergangenheit widmen.
Netze spannen – nach Innen und Außen
Schon vor Beginn des Zentralwerks setzten wir auf die künstlerische Kraft des Austauschs und des Netzwerks auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Um den Austausch unter Künstlern, Kreativen und Nachbarn zu befeuern, Interesse an einander zu entwickeln und Synergien zu schaffen wurden performative Konzepte entwickelt, die jeweils entsprechende Ziele verfolgten.
Auf lokaler Ebene wurde im Rahmen von POLYLOG ein choreografier Dialog statt, „1 Tisch, 10 Plätze, 5 Gänge – Ein Esstisch als Bühne für alle, über Milieugrenzen hinaus” ein Austausch Format zwischen Kulturschaffenden und geladenen Einwohnern Pieschens geschaffen. …
Von der RAUMUNG zum KABINETT zu CASINO ASPIK und weiter
Die bildenden Künstler des Zentralwerks taten sich zusammen um das ehemalige Herrenzimmer des Saalgebäudes zu einem Projektraum zu entwickeln. Das Herrenzimmer war ein feuchter Raum mit großen Parkettwellen und zerfallender Holzvertäfelung an den Wänden sowie der Decke. Die digitale Aktionsreihe RAUMUNG ergriff dieses Biotop als Möglichkeit ortsspezifische Raumkonzepte zu entwickeln, bei denen von einer künstlerischen Intervention zur nächsten der Raum kontinuierlich entkernt wurde.
Danach wurde das Herrenzimmer in KABINETT umbenannt. Es ist kein Ausstellungsraum im herkömmlichen Sinne. Die künstlerische und kuratorische Arbeit, die hier stattfindet, nimmt eine möglichst weite – zeitliche und räumliche – Perspektive ein. Sie ist stets verknüpft mit den Geschehnissen im Zentralwerk als Begegnungs-, Produktions- und Lebensort und mit der Umgebung, in die dieser Ort eingebettet ist. Ein sich stets erneuernder Blick auf vermeintlich altbekannte Fragen ist hier ebenso wichtig wie ein gutes Gedächtnis: Wie kann Kunst an einem Ort mit einer solchen Vergangenheit und mit Blick auf die Zukunft überhaupt beschaffen sein? Was kann hier ausgestellt werden und für wen? Was sind die Bedingungen und Möglichkeiten künstlerischer, interdisziplinärer Kooperation? In thematischen Reihen wie Arsenal, Rekapitulation, Liaison oder Fanfare wurden bereits vorhandene Impulse, die das Zentralwerk ausmachen, in Ausstellungen aufgegriffen. ….